Archimedes L 17 - Reparatur

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Stromschlag.png
Anweisung zum Spannungswahlschalter
Bedienelemente der Archimedes NEL von 1952

Hat man eine elektromechanische Maschine gerade aus dem Keller geholt oder einen „Dachbodenfund“ bei eBay ersteigert (natürlich „nicht getestet, weil kein Netzkabel vorhanden“), sollte man sie nicht einfach einschalten und auf das Beste hoffen. Nimmt man solche Maschine erstmals in Betrieb, gibt es nämlich mehrere Gefahren: Erstens könnte die Mechanik verklemmt sein, so dass das Anlaufen des Motors zu einer Beschädigung führt, und zweitens kann die Elektrik abrauchen. Hier sind besonders Kondensatoren gefährdet, die zur Funkentstörung dienen oder zum Betrieb eines Wechselstrommotors (sog. Kondensatormotor).

Bei einer uralten Maschine wie meiner Archimedes L 17 kommt – last but not least – noch eine weitere Gefahr dazu: Stromschlag über ein nicht geerdetes Metallgehäuse!

Nach dem Abstauben habe ich den Rechner also zuerst einmal geöffnet. Der Elektromotor sah noch gut aus, und zum Glück ist es auch kein Kondensatormotor, sondern ein Gleichstrommotor oder genauer gesagt ein Universalmotor mit Kohlebürsten, so dass das eben angesprochene Problem eines kaputten Motorkondensators entfällt. Der Motor erlaubt es übrigens, die Maschine tatsächlich auch mit Gleichstrom von 110, 160 oder 220 V betreiben! Die Spannung kann (und muss) aber entsprechend eingestellt werden, was über eine Art Drehschalter möglich ist. Meine Maschine war korrekt auf 220 V Wechselstrom eingestellt, aber auch das ist ein Punkt, den man vor der ersten Inbetriebnahme einer unbekannten Maschine beachten sollte, besonders wenn kein Netzkabel dabei ist, aus dem man z.B. auf eine Herkunft aus Amerika schließen könnte.

Probleme mit sich auflösenden Kunststoff- oder Gummitreibriemen, wie sie bei elektromechanischen Rechnern gerne auftreten, vermeiden die Archimedes L und ihre Verwandten durch die Verwendung von metallenen „Riemen“. Es handelt sich dabei um lange Schraubenfedern, die an den Enden in sich selbst eingehängt sind. Sie erinnern mich an die „Treibriemen“ meiner alten Wilesco-Spielzeugdampfmaschine, der Durchmesser ist jedoch etwas größer. Schon wieder ein potentielles Problem weniger!

Rein mechanisch hatte ich schnell keine Bedenken mehr, denn der Motor und das Rechenwerk ließen sich von Hand durchdrehen. Zunächst war die Maschine allerdings in einem eher seltsamen Zustand, so dass einige Hebel blockiert waren und kein vernünftiger Grundzustand hergestellt werden konnte.

Eine Bedienungsanleitung habe ich nicht, und ich konnte auch im Internet keine finden. Da ich grundsätzlich mit Rechenmaschinen umgehen kann, hätte mir schon eine Beschreibung der einzelnen Hebel und Knöpfe weitergeholfen, aber auch eine solche konnte ich nicht finden. Doch dann hat mir eine erklärende Abbildung der Archimedes NEL weitergeholfen, einer zu DDR-Zeiten entstandenen Weiterentwicklung der Vorkriegsmodelle. Im Wesentlichen wurde wohl nur die äußere Form verändert, so dass alle Bedienelemente wiedererkennbar sind – der einzige Unterschied ist, dass die beiden Löschtasten [R] und [U] zu einer gemeinsamen Taste [L] zusammengelegt wurden. Jetzt war mir auch klar, dass der Hebel für die Division umgelegt war, so dass sich die Maschine in einem komplexen Automatikzyklus befunden hat, bis zu dessen Abschluss die meisten Bedienelemente gesperrt waren – blöderweise auch der Divisionshebel selbst.

Auch der Knopf zum Unterbrechen der Division hat nicht funktioniert (Inzwischen weiß ich, warum: Er funktioniert nur, wenn das Eingabewerk eine Zahl <> 0 enthält!). Nach einigem Probieren und manuellen Eingriffen in die Steuergestänge konnte ich den Hebel schließlich zurückstellen. Anschließend ließen sich auch die Knöpfe für Addition, Subtraktion, Schlittenvor- und Rücklauf sowie zum Löschen des Umdrehungszählwerks und des Resultatwerks wieder bewegen, und die Maschine war endlich in einem definierten Zustand.

Additionen, Subtraktionen und Multiplikationen ließen sich jetzt ausführen, und der manchmal etwas kritische Zehnerübertrag funktionierte tadellos, ebenso das elektromechanische Bewegen des Schlittens und Löschen der Zählwerke.

Die Division wollte ich im Handbetrieb lieber nicht testen. Zwar gab es für die Maschine wohl ursprünglich auch eine Kurbel, aber diese war nicht mehr vorhanden, und außerdem ist der Zapfen, auf den die Kurbel aufgesteckt wird, beschädigt. Zum „manuellen“ Rechnen muss man das Rechenwerk also im Bereich des Motors durchdrehen; am besten ging es am Großrad des Motorvorgeleges (Die richtige Drehrichtung ist gegen den Uhrzeigersinn, wenn man die Maschine von der linken Seite betrachtet). Doch ein Zahnrad ist kein Handrad, und längere Drehversuche sind langsam, anstrengend und unangenehm, ganz abgesehen von den schwarzen Fingern, die man dabei bekommt.

Die Elektrik

Für die Elektrik musste ich zuerst muss ich ein passendes Netzkabel auftreiben oder basteln, denn ein solches war bei der Maschine nicht dabei, und der Anschlussstecker ist zwar historisch wertvoll, entspricht aber nicht den heutigen Normen. Es gibt allerdings eine (veraltete) DIN 49491, die passen könnte, falls wirklich jemand ein originalgetreues Kabel nachbauen will.

Ich hatte erhebliche Bedenken hinsichtlich der Sicherheit, denn obwohl es sich um ein Gerät mit Metallrahmen und -Gehäuse handelt, weist der Anschluss keine Erdungskontakte auf, obwohl der Schukostecker damals schon erfunden war (und auch die Stecker der erwähnten Norm gibt es mit Schutzkontakten; man findet sie z.B. an älteren Olympia-Rechenmaschinen). Ein einziges loses Kabel oder eine durchgescheuerte Isolierung hätten also die gesamte Maschine einschließlich der metallenen Bedienelemente unter Spannung setzen können!

Zuerst habe ich den Elektromotor ausgebaut, denn er füllt einen erheblichen Teil des Rechnerinneren aus. Als ich den Typ des Motors (OF 70 VU) gegoogelt habe, bin ich auf die unten verlinkten Seiten von Wolfgang Robel gestoßen. Seine Archimedes LK ist den L- und LL- Modellen sehr ähnlich, und die Elektrik einschließlich des Motors ist identisch. Er ist wie ich zu der Erkenntnis gelangt, dass die Maschine in der vorliegenden Form lebensgefährlich ist, dass also zumindest die brüchigen Kabel erneuert werden müssen.

Als nächstes habe ich alle Kabel entfernt. Sie waren in besserem Zustand als erwartet, aber unangenehm steif und mit bröseliger Isolierung, und nicht mehr mit gutem Gefühl verwendbar. Die daran hängenden Entstörkondensatoren, wenn sie nicht ohnehin schon kaputt waren, wären wahrscheinlich spätestens beim nächsten Einschalten abgeraucht. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass die Maschine von Wolfgang Robel möglicherweise schon 1949 einen Austauschkondensator erhalten hat!

Ich habe meinen Motor (auf der Einstellung 110 V =) mit 40 V Gleichstrom getestet – er lief. Da die Anschlusskabel direkt in die Wicklungen übergehen, habe ich sie gekürzt (die letzten paar Zentimeter der Isolierung waren noch akzeptabel) und zur Weiterverkabelung eine Lüsterklemme angebracht.

Anders als Wolfgang Robel habe ich auf eine optisch korrekte Restaurierung der Elektrik mit Retro-Litzen verzichtet, schon deshalb, weil ich vorhatte, im Rahmen der Erneuerung der Kabel auch eine Erdung vorzusehen. Deswegen und weil das originale Anschlusskabel ohnehin fehlt, habe ich mich auch für ein fest angebrachtes Netzkabel entschieden. Weil der Schuko-Stecker eines üblichen Netzkabels nicht durch die Öffnung in der Gehäuserückseite passt, bin ich auf die Idee gekommen, eines der guten alten Monitorkabel zu verwenden, mit denen man früher einen Bildschirm an das Netzteil des PCs angesteckt hat, um beide Geräte gemeinsam ein- und ausschalten zu können. Der entsprechende Stecker passt gerade so durch die Öffnung, und ein weiterer Vorteil dieser Lösung ist, dass das fest angebaute Kabel sehr kurz sein kann, was das Verstauen des Rechners vereinfacht. Zum Betrieb kann ich es mit einem üblichen Kaltgerätekabel verlängern.

Als komplizierteste bzw. fummeligste Stelle zur Neuverkabelung hat sich der „Hauptschalter“ erwiesen, also jener Schalter, der den Motor einschaltet, sobald eine entsprechende Funktionstaste gedrückt wird. Er bildet eine bauliche Einheit mit dem Netzstecker. Ein Teil dieses Schalters ist ein kurzes Stück Litze, welches den festen mit dem beweglichen Teil der Konstruktion verbindet (anstelle z.B. eines elastischen Metallstreifens). Da diese Litze, anders als die übrigen, beim Betrieb der Maschine ständig bewegt wird, war die Isolierung in einem besonders schlechten Zustand – genauer gesagt war sie so gut wie nicht mehr vorhanden. Das ist an dieser Stelle besonders gefährlich, weil das Kabel nur Millimeter von den metallenen Antriebsriemen entfernt ist!

Leider war das Ausbauen des Schalters nicht möglich, weil die Schrauben zu fest angezogen waren und aufgrund ihrer Position nur ungünstig mit einem ausreichend großen Schraubenzieher erreichbar waren. Ich musste den Versuch aufgeben und das Schalterkabel „vor Ort“ austauschen, was ein wenig fummelig war. Das Ergebnis genügt deshalb nicht den allerhöchsten ästhetischen Ansprüchen, aber wichtiger als die Optik war es, das neue Kabel so zu formen, dass es beim Schalten nicht in den Bereich der Treibriemen kommen kann.

Ein mit dem Hauptschalter in Reihe geschalteter zweite Schalter unterbricht die elektrische Verbindung, wenn der Schlitten von Hand verschoben wird. Er ist einfacher aufgebaut, und die beiden Anschlusskabel lassen sich sauber mit Hilfe von Klemmschrauben befestigen. Allerdings muss man den Schalter abschrauben, damit man mit einem Schraubenzieher an eine der beiden Kabelklemmen herankommt. Einer der vielen kleinen Punkte, an denen mir die Maschine nicht besonders wartungsfreundlich erschienen ist!

Da ich auf den Einbau von neuen Kondensatoren erst einmal verzichtet habe, konnte ich die Kabel wesentlich übersichtlicher verlegen und – Sakrileg! – mit modernen Kabelbindern befestigen. Um möglichst wenige Verbindungsstellen zu haben, habe ich mein Anschlusskabel sehr weit abgemantelt, so dass ich die Litzen direkt an ihre Ziele führen konnte: eine an die (neue) Motor-Lüsterklemme, eine an den alten Anschlussstecker, der mit dem Hauptschalter eine Einheit bildet, und schließlich die Erde an ein ungenutztes Gewinde am Hauptrahmen des Rechners. Als Zugentlastung für das Netzkabel habe ich es mit mehreren Kabelbindern am Rahmen befestigt.

Die Maschine ist jetzt wieder funktionsfähig und muss nur noch etwas gereinigt und z.T. vielleicht auch geölt werden. Ob ich noch einen Kondensator einbaue, hängt davon ab, ob sich die Nachbarn über gestörten Radioempfang beklagen. Aber Spaß beiseite: Weil ich jetzt ein geerdetes Gerät habe, könnte ich einen der heute üblichen Standard-Entstörkondensatoren einbauen. Ich muss mich allerdings noch informieren, welche Modelle für einen Motor in dieser Leistungsklasse infrage kommen.

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