Archimedes L 17

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Archimedes L 17

Die Archimedes L 17 ist eine elektromechanische Vierspezies-Rechenmaschine mit Volltastatur. Die Kapazität beträgt 9 × 9 × 17 Stellen (Eingabewerk/Zählwerk/Resultatwerk). Das genaue Baujahr ist mir nicht bekannt, aber es handelt sich um ein Vorkriegsmodell, das zwischen 1935 und 1940 gebaut wurde.

Die Archimedes L17 beherrscht die vollautomatische Division, nicht aber die vollautomatische Multiplikation. Für diese gab es allerdings ein Zusatzgerät zu kaufen, auf dem über eine eigene Tastatur der zweite Multiplikator eingestellt werden konnte. Auch ein Druckwerk, genannt Schreibeinrichtung, war optional erhältlich.

Meine LL 17 ist mir im Rahmen einer Entrümpelungsaktion zugefallen und ist eine der ältesten Maschinen in meiner Sammlung. Sie wiegt knapp 17 kg, ist aber nicht meine schwerste Rechenmaschine – diese Ehre gebührt der wesentlich jüngeren Olympia ADE 132.965.

Varianten

Auszug aus der Preisliste
von 1939

Die L 17 hat mehrere sehr ähnliche Schwestermodelle, die L 14 (8 × 7 × 14), die L 9/14 (9 × 7 × 14) sowie die LL 14 (8 × 7 × 14), die LL 17 (9 × 9 × 17) und die LL 20 (10 × 11 × 20). Die LL-Varianten unterscheiden sich von den L-Modellen nur dadurch, dass sie ein breiteres Gehäuse hatten und auf bis zu 13 Tastenspalten ausgebaut werden konnten. Die Preisliste gibt 40,- RM für jede zusätzliche Tastenspalte an – ein Schnäppchen bei einem Gesamtpreis von 1955,- RM für die LL 20! Die L 17 hat nach der gleichen Preisliste 1415,- RM gekostet, das billigste Modell, die L 14, 1295,- RM.

Es gibt auch einige Modelle der Reihe LK. Sie sind den L bzw. LL sehr ähnlich, und auch sie beherrschen die vollautomatische Division, aber ihnen fehlt das automatische linksbündige Positionieren des Dividenden sowie das elektrische Löschen des Resultat- und Zählwerks.

Bedienung

Zurücksetzen

Vor jeder Rechnung sollte man sicherstellen, dass die Maschine im Grundzustand ist, also alle drei Werke auf 0 stehen und der Schlitten ganz links ist (das unterscheidet eine Rechenmaschine grundlegend von einer Schreibmaschine, bei der der Schlitten zu Beginn des Eingabe rechts stehen sollte!). Weil die Archimedes aus einer Zeit stammt, zu der sich Denglisch noch nicht etabliert hatte, gibt es keine [C]-Taste, sondern stattdessen die drei Löschtasten [0] für das Eingabewerk, [R] für das Resultatwerk und [U] für das Umdrehungszählwerk. Man kann alle drei Tasten gleichzeitig drücken, und den Rest erledigt die Maschine, einschließlich des Schlittenrücklaufs.

Resultatwerk und Umdrehungszählwerk können über die Hebelchen am rechten Ende des Schlittens auch manuell gelöscht werden. Das ist immer dann nötig, wenn das Löschen nicht zugleich den Schlitten zurückschieben soll, also z.B. vor dem Start einer Division. Auch einzelne Ziffern können gelöscht werden, also auf 0 gesetzt werden. Da es keine Zifferntaste für die [0] gibt, muss man das kleine Schräubchen unterhalb der [1] nach unten ziehen. Eine zehnte Taste wäre hier wohl etwas zu viel mechanischer Aufwand gewesen, zumal dieser Schritt in der Praxis nur selten notwendig ist.

Addition und Subtraktion

Die Strichrechenarten funktionieren weitgehend intuitiv: Summanden eintippen und anschließend [+] oder [-] drücken. Vorher sollte man den kleinen mit Add beschrifteten Schalter nach rechts bewegen, was dazu führt, dass jeder Summand nach dem Addieren wieder aus dem Eingabewerk gelöscht wird. Man kann die Eingabe zwar auch direkt in den nächsten Wert „umtasten“, dabei besteht jedoch die Gefahr, dass man höhere Stellen übersieht und vergisst, sie auf 0 zu setzen.

Das Umdrehungszählwerk zählt normalerweise bei positiven Summanden aufwärts und bei negativen abwärts. Will man das Zählwerk als Postenzähler verwenden und auch negative Posten mitzählen (anstatt sie als Korrekturen wieder abzuziehen), kann man dessen Drehrichtung mit dem linken der drei Hebelchen umschalten. Wenn man abwechselnd positive und negative Zahlen addiert, muss man das Hebelchen jedesmal korrekt einstellen; sehr praktisch ist das also nicht.

Multiplikation

Anders als die Division läuft die Multiplikation nicht vollautomatisch ab. Sie muss also stellenweise durch die Verschiebung des Schlittens erfolgen, so wie auch auf den meisten anderen mechanischen Rechenmaschinen.

Beispiel: 456 × 123: Wichtig ist, das der Add-Schalter links steht! Dann kann man die 456 eintippen und dreimal die [+]-Taste drücken. Anschließend verschiebt man den Schlitten durch kurzes (!) drücken der [→]-Taste um eine Stelle nach rechts. Jetzt betätigt man die [+]-Taste zweimal, schiebt den Schlitten noch eine Stelle nach rechts und drückt noch einmal auf [+]. Hat man alles richtig gemacht, sollte der zweite Multiplikator 123 jetzt im Umdrehungszählwerk stehen und im Resultatwerk das Produkt 56088.

Wenn man es eilig hat oder die Maschine schonen will, kann man auch mit der sogenannten verkürzten Multiplikation rechnen. Dies gilt grundsätzlich für die mechanische Multiplikation, weswegen ich an dieser Stelle nicht genauer darauf eingehe.

Division

Die Stärke der Archimedes L- und LL-Modelle ist die vollautomatische Division. Anders als etwa bei den LK-Modellen oder einer schnöden Sprossenrad-Handkurbelmaschine kann der Dividend sogar per Knopfdruck links ausgerichtet werden. Wie weit linksbündig, kann man sogar einstellen, nämlich mit dem Tabulatorschieber links oben auf dem Schlitten. Die Zahl auf der Tabulatorskala gibt dabei an, an welche Position die Einerstelle des Dividenden verschoben wird.

Beispiel 65536 ÷ 256: Zuerst wird die 65536 eingetippt. Anschließend betätigt man nicht die [+]-Taste, sondern das rechte der drei Hebelchen. Die 65536 wird nun linksbündig ins Resultatwerk übertragen. Die Maschine lässt dabei das Umdrehungszählwerk auf 0 stehen; man muss es also nicht wie bei nicht-automatischen Maschinen manuell löschen.

Jetzt tippt man den Divisor 256 ein, und zwar linksbündig, d.h. unter 655.

Der Richtungshebel für das Umdrehungszählwerk muss (wie schon oben bei der Addition negativer Werte erwähnt) nach unten gestellt werden, denn es sollen ja Subtraktionen gezählt werden. Mit dem danebenliegenden Hebel wird die Divisionsautomatik gestartet. Praktischerweise sind beide Hebelchen so angeordnet, dass man sie gemeinsam bedienen kann. Es sieht sogar so aus, als hätte der Divisionshebel ursprünglich den Zählwerkshebel zwangsweise mit umgestellt, aber der kleine Zapfen ist an meiner Maschine wohl abgebrochen oder zumindest stark abgenutzt.

Wie auch immer, die Maschine rattert jetzt los, und zwar langsam genug, dass man beobachten kann, was passiert. Das Verfahren ist exakt das Gleiche, das man auch bei einer manuellen Division anwenden würde: Abziehen bis zum Unterlauf, einmal zurückdrehen, Stelle verschieben und so weiter. Anders als ein Mensch, der aufhören kann, wenn der im Resultatwerk angezeigte Rest 0 ist, die Division also aufgeht, arbeitet die Maschine konsequent bis zum Ende durch, also bis der Schlitten wieder ganz links steht. Am Ende springt der Divisionshebel wieder in seine Ausgangslage zurück, und das Ergebnis kann im Umdrehungszählwerk abgelesen werden.

Was passiert eigentlich bei einer Division durch Null? Geht man nach den Kommentaren auf YouTube, ist dies die meistgestellte Frage zu mechanischen Rechenmaschinen. Die Antwort ist einfach: Keine Explosion, kein schwarzes Loch, sondern ganz langweilig: Die Maschine zieht 0 von der höchsten Stelle des Dividenden ab, und zwar so lange, bis dabei ein Unterlauf auftritt – also für immer.

In der Not könnte man einen solchen Rechenvorgang durch das Ausstecken der Maschine stoppen, aber dann befinden sich Teile der Mechanik noch im Divisionsmodus, und das Zurücksetzen der Maschine in den Grundzustand ist mit viel Fummelei verbunden und ohne das Öffnen des Gehäuses nicht möglich. Deswegen haben die Archimedes L und ihre Verwandten für genau diesen Fall eine Divisions-Unterbrechungstaste. Diese funktioniert auch, aber man muss dazu wissen, dass man zunächst irgendeine Ziffer eintasten muss, denn die Unterbrechung bzw. das Zurücksetzen erfolgt erst nach der nächsten Rechenoperation, die einen Unterlauf bzw. Schlittenvorschub verursacht. So lange der Divisor 0 ist, gibt es keinen Unterlauf, und die Taste bleibt funktionslos. Am besten ist es also, man tippt in diesem Fall eine 9 an der höchsten Stelle ein!

Innenleben

Stromschlag.png

Das Gehäuse lässt sich öffnen, ohne den Rechner umzudrehen. Zuerst muss die hinter dem Schlitten angebrachte Blende mit dem Stellenzeiger entfernt werden, was praktischerweise über zwei Rändelschrauben möglich ist. Warum hier Rändelschrauben vorgesehen sind, weiß ich nicht, denn ich sehe keinen Grund, warum man dieses Teil im Büroalltag regelmäßig entfernen müsste. Die Rückwand ist ein separates Teil, das mit zwei großen Schlitzschrauben befestigt ist. Seitenwände und Vorderseite des Gehäuses bilden ein großes Blechteil, das auch nur mit zwei Schrauben auf der Vorderseite der Maschine befestigt ist. Zum Abnehmen muss man es etwas auseinander biegen und die Maschine hinten etwas anheben, weil sonst der Schlitten im Weg ist.

Der Rechner lässt sich problemlos in offenem Zustand betreiben, aber Achtung: Unabhängig davon, ob er neu verkabelt ist oder nicht, sind spannungsführende Teile so angebracht, dass man sie aus Versehen berühren kann. Besonders unangenehm ist mir der Schalter rechts oben hinter dem Schlitten aufgefallen (links oben auf dem Bild der offenen Rückseite), denn er befindet nicht weit weg von den Löschhebeln, also an einer Stelle, an die man versehentlich greifen könnte, wenn man abgelenkt ist. Übrigens ist es sogar bei geschlossenem Rechner möglich, diesen Schalter mit dem Finger zu berühren, wenn man sich ein wenig anstrengt!

Der Rahmen des Rechners besteht aus zwei massiven Seitenwänden (vermutlich Gussteile), die über verschraubte Metallstangen verbunden sind – eine Bauweise, die es problemlos erlaubt, den Konstruktion zu verbreitern, um Modelle mit größerer Kapazität zu erschaffen (z.B. die LL-Modelle). Ein nicht unerheblicher Teil des Innenraums wird vom Antriebsmotor eingenommen; der größte Teil des Hebelwerks befindet sich außerhalb der Seitenteile.

Die Tastatur besteht aus neun baugleichen Modulen, die relativ einfach ausgebaut werden können. Man muss dazu nur ein paar Schrauben lösen, die allerdings unter zwei Querleisten verborgen sind, die zuerst entfernt werden müssen, ebenso wie die Kommaschieberschiene des Eingabewerks (Bei meinem Exemplar fehlt die untere Querleiste, so dass die Schrauben der Tastaturmodule auf dem Bild der Frontansicht erkennbar sind). Die obere Querleiste hat, anders als die untere, nicht nur eine kosmetische Funktion, denn sie verhindert, dass der Schlitten nach oben gehoben wird und so die Zahnräder ihren Eingriff verlieren.

Die Verbindung zwischen den Tastaturmodulen und dem Eingabewerk erlaubt es, die Module nach dem Lösen der Schrauben ohne weitere Fummelei herauszuheben. Jedes Modul besteht aus neun Tasten, dem Anzeigescheibchen für die eingestellte Ziffer, einer Schiebermechanik und der Löschmechanik. Das Ganze lässt sich problemlos in ausgebautem Zustand reinigen, testen und ölen.

Die Archimedes L ist, wie die meisten Rechenmaschinen mit Volltastatur, eine Staffelwalzenmaschine. Die Aufgabe eines Tastaturmoduls ist deshalb relativ einfach, denn es muss nur dafür sorgen, dass ein Zahnrädchen so weit parallel zur zugehörigen Staffelwalze verschoben wird, dass beim Drehen der letzteren die korrekte Zahl der Zähne zum Eingriff kommt (siehe Bilder). Im Grunde ist so ein Tastaturmodul also nichts anderes als ein komplex aufgebauter linearer Schieber. Tatsächlich kann man auch ohne die Tastaturmodule Zahlen in die Maschine eingeben, indem man die kleinen Zahnrädchen von Hand verschiebt. Es ist allerdings praktisch kaum möglich, die korrekte Stelle zu treffen, und abgesehen davon verrutschen die Zahnräder auf ihren Achswellen so leicht, dass schon die Neigung der Konstruktion ausreicht, um sie langsam nach unten bzw. vorne rutschen zu lassen (für das Bild habe ich die Maschine vorne angehoben!).

Der Wiedereinbau der Tastaturmodule ist ein wenig kniffelig, denn man muss dabei darauf achten, dass das Zahnrädchen sauber in der Gabel der Schiebermechanik zu sitzen kommt. Macht man hier etwas falsch, merkt man das unter Umständen erst beim Rechnen! Der Einbau ist besonders schwierig, wenn man nur ein Modul ausgebaut hat bzw. wenn man das letzte von mehreren einbaut – in beiden Fällen sieht man nämlich nichts. Man kann übrigens das Blech mit der Firmenbezeichnung einfach entfernen, was das Einbauen des ganz linken Tastaturmoduls erleichtert.

Werdegang meiner Maschine

Ich habe die Maschine 2010 erhalten, allerdings ohne Informationen über ihre Geschichte. Ich weiß nur, dass eine Firma, die die Geschäfts- oder Lagerräume eines Büromaschinenhändlers übernommen hat, beim „Ausmisten“ etliche alte Rechenmaschinen gefunden und verschenkt hat. Zu diesen gehören auch zwei meiner Facit CM2-16, die beide zunächst defekt bzw. verklemmt waren, meine Nisa PK 5, die zumindest ansatzweise zu funktionieren scheint, eine funktionsfähige Facit C1-13, sowie einige weitere defekte und/oder noch nicht genauer untersuchte Maschinen, wie z.B. die Brunsviga G 89 E. Daraus kann man also schlecht schließen, ob die Archimedes L 17 damals noch funktioniert hat oder nicht. Wie auch immer, ich habe die Maschine wegen anderer Prioritäten erst einmal in meinen Keller gestellt und mehr oder weniger vergessen (abgesehen von einem Umzug einige Jahre später, bei dem mir die 17 kg sicher aufgefallen sind!).

Erst im Jahr 2023 ist mir die Maschine erneut aufgefallen, weil sie in meiner Datenbank gefehlt hat. Nach dem Entfernen einer Staubschicht waren Hersteller- und Modellbezeichnung lesbar, und ich habe Internet nachgesehen, um was es sich dabei überhaupt handelt. Als ich dann gesehen habe, dass es sich um ein Vorkriegsmodell handelt, war mein Interesse geweckt. Weil mich ich zu diesem Zeitpunkt schon wesentlich mehr mit mechanischen Rechenmaschinen beschäftigt hatte und auch die eine oder andere verklemmte Maschine wieder zum Laufen gebracht habe, konnte ich es riskieren, zumindest einen genaueren Blick ins Innere zu werfen.

Dort sah die Maschine wesentlich besser aus als erwartet, keine Korrosion, alles schien noch beweglich zu sein, und sogar etwas Öl war noch vorhanden. Es ist unklar, wann sie zuletzt in Betrieb war, aber es ist möglich, dass es noch gar nicht so lange her ist. War die Maschine vielleicht ein gut gepflegtes und vielleicht noch bis in die 1990er- oder sogar 2000er-Jahre gelegentlich vorgeführtes Ausstellungsstück des erwähnten Büromaschinenherstellers?

Wie auch immer, so gut die Mechanik ausgesehen hat, so suspekt ist mir die Elektrik erschienen, zumal die Maschine nicht geerdet war, also keine Schutzkontakte am (nicht mehr vorhandenen) Netzkabel gehabt hat. Die Mechanik ließ sich zwar von Hand durchdrehen, aber irgendwie war die Maschine in einer Art Endlosschleife gefangen und ließ sich nicht in den Grundzustand bringen.

An einem Wochenende im September 2023 habe ich die meisten Probleme behoben (siehe Archimedes L 17 - Reparatur). Die Maschine funktioniert, und ein sporadisches Steckenbleiben lässt sich vermutlich mit einer ohnehin geplanten gründlicheren Reinigung und etwas Öl beheben. Insbesondere den Schlitten mit der Übertrags- und Löschmechanik habe ich noch nicht genauer untersucht; die Technik dort ist auch relativ schwer zugänglich.

Galerie

Eigenes Exemplar

  • Inv.-Nr. 94, Seriennummer 1374, Zustand: funktionsfähig nach Neuverkabelung, optisch für das Alter gut.

Externe Links